EU-Verordnung zu Konfliktmineralien: Weitere Sorgfaltspflichten in der Lieferkette ab 2021

Von Dr. Anne Rausch *

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Ab dem 1. Januar 2021 müssen Unternehmen die Vorschriften der EU-Verordnung zu Konfliktmineralien beachten. Das ist nicht nur für Rohstoffhändler und Hüttenbetreiber relevant.

Rohstoffe: Kinder sortieren Steine, die Konfliktmineralien enthalten, an den Ufern des Malo-Sees in Kongo.
Rohstoffe: Kinder sortieren Steine, die Konfliktmineralien enthalten, an den Ufern des Malo-Sees in Kongo.
(Bild: Amnesty International)

Die neue EU-Verordnung zu Konfliktmineralien betrifft auch Unternehmen, etwa der Elektro-, Technologie- oder Automobilbranche. Denn: Die Verordnung gilt für Zinn, Tantal, Wolfram und Gold – Minerale und Metalle, die zum Beispiel bei der Herstellung von Mobiltelefonen und Computern verwendet werden.

Zinn, Tantal, Wolfram und Gold sind seltene Minerale und Metalle. Ihr Vorkommen beschränkt sich auf wenige Regionen der Erde. In vielen dieser Regionen herrschen instabile Verhältnisse und bewaffnete Konflikte. Rohstoffvorkommen werden durch Warlords und bewaffnete Gruppen als Einnahmequelle genutzt. Ihr Abbau erfolgt unter massiven Menschenrechtsverstößen.

Der Druck auf Unternehmen wächst

Die Förderung solcher Bedingungen widerspricht dem westlichen Selbstverständnis. Der Druck auf Unternehmen, Produkte und Lieferketten nachhaltig zu gestalten, wächst. Seit der Jahrtausendwende gibt es zahlreiche private und öffentliche – auf Freiwilligkeit basierende – Initiativen für mehr Sorgfalt und Transparenz bei Abbau und Handel von Konfliktmineralen. Eine erste verbindliche Regelung zur verantwortungsvollen Beschaffung von Konfliktmineralien wurde 2010 mit dem Dodd-Frank Act durch die USA eingeführt. In den USA haben börsennotierte Unternehmen eine Offenlegungs- und Berichtspflicht bezüglich der Verwendung bestimmter Rohstoffe.

Die EU-Konfliktmineralienverordnung ist 2017 in Kraft getreten. Sie schafft ein System für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht in der Lieferkette. Ziel ist, den Handel mit Konfliktmineralien besser zu überwachen und auf verantwortungsvolle, konfliktfreie Quellen zu beschränken. Die wesentlichen Vorschriften gelten ab dem 1. Januar 2021.

EU-Verordnung für Zinn, Tantal, Wolfram und Gold

Die EU-Verordnung gilt für die Einfuhr der in Anhang I aufgeführten Minerale oder Metalle, in denen Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erze oder Gold enthalten sind. Sogenannte Unionseinführer haben für diese Stoffe die Sorgfaltspflichten in der Lieferkette einzuhalten und dabei insbesondere zu prüfen, ob diese aus Konflikt- oder Hochrisikogebieten stammen. Anders als der Dodd-Frank Act ist die EU-Verordnung nicht auf die Region der Großen Seen rund um die Demokratische Republik Kongo beschränkt. Zudem gilt sie nicht nur für börsennotierte Unternehmen, sondern grundsätzlich für alle Unionseinführer.

Keine Anwendung findet die Verordnung bei recycelten Metallen sowie Altbeständen, die vor dem 1. Februar 2013 angelegt wurden. Auch gilt sie nicht für die Einfuhr von Produkten, die die erfassten Stoffe enthalten. Insofern bleibt sie hinter dem Dodd-Frank Act zurück, der beispielsweise auch außerhalb der USA hergestellte Elektrogeräte erfasst.

Wesentliche Pflichten: Managementsystem, Risikomanagement, Prüfungen und Offenlegung

Für Unionseinführer gelten ab 2021 folgende Pflichten:

  • Pflicht zur Einführung eines Managementsystems: Das Managementsystem muss die in Artikel 4 der Verordnung genannten Anforderungen erfüllen. Unionseinführer müssen eine Lieferkettenpolitik für möglicherweise aus Konflikt- und Hochrisikogebieten stammende Minerale und Metalle festlegen. Diese muss den OECD-Standards entsprechen. Zudem muss sie Lieferanten und der Öffentlichkeit mitgeteilt und in Verträge und Vereinbarungen mit Lieferanten eingebunden werden. Darüber hinaus müssen Unternehmen einen Compliance-Beauftragten zur Überwachung bestellen, einen Beschwerdemechanismus als Frühwarnsystem zur Risikoerkennung einführen sowie ein System zur Rückverfolgbarkeit der Gewahrsams- oder Lieferkette errichten. Letzteres umfasst eine umfassende Dokumentation. Sämtliche im Zusammenhang mit dem Managementsystem zusammengetragenen Informationen sind fünf Jahre lang aufzubewahren.
  • Risikomanagementpflichten: Unionseinführer müssen die Risiken schädlicher Auswirkungen ermitteln und bewerten. Zudem müssen sie die konzipierten Strategien zur Verhinderung oder Milderung negativer Auswirkungen umsetzen. Mögliche Maßnahmen sind sowohl die Fortsetzung als auch die vorübergehende Aussetzung des Handels. Auch die Beendigung der Lieferantenbeziehung ist möglich. Sofern der Handel fortgesetzt oder nur vorübergehend ausgesetzt wird, muss der Unionseinführer die Lieferanten und betroffenen Interessensträger informieren und eine Strategie zur messbaren Risikominderung in einem Risikomanagementplan vereinbaren.
  • Verpflichtung zur Durchführung von Prüfungen durch Dritte: Unionseinführer sind verpflichtet, sämtliche Tätigkeiten, Prozesse und Systeme, die der Erfüllung der Sorgfaltspflicht in der Lieferkette dienen, durch einen unabhängigen Dritten auf ihre Konformität mit der Verordnung überprüfen zu lassen. Die Pflicht entfällt, wenn Metalle über eine verantwortungsvolle Hütte oder Raffinerie bezogen werden. Das sind solche, die anerkanntermaßen die Anforderungen der Verordnung erfüllen. Es ist vorgesehen, dass die EU-Kommission eine weltweite Liste der verantwortungsvollen Hütten und Raffinerien bereitstellt. Bisher liegt diese noch nicht vor.
  • Offenlegungspflichten: Unionseinführer müssen erstens den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats die Berichte über die durch Dritte durchgeführte Prüfung oder Konformitätsnachweise durch von der EU-Kommission anerkannte Systeme zur Verfügung stellen. Zweitens müssen sie den unmittelbar nachgelagerten Abnehmern alle im Rahmen der Erfüllung ihrer Sorgfaltspflicht in der Lieferkette erlangten und auf aktuellem Stand gehaltenen Informationen zur Verfügung zu stellen. Geschäftsgeheimnisse und wettbewerbliche Vorgaben bleiben dabei gewahrt. Drittens müssen sie jährlich öffentlich in einem möglichst breiten Rahmen, auch über das Internet, Bericht erstatten über ihre Strategien zur Erfüllung ihrer Sorgfaltspflicht in der Lieferkette und ihre Verfahren im Hinblick auf eine verantwortungsvolle Beschaffung. Die Pflicht zur Information der Öffentlichkeit besteht auch dann, wenn Metalle nur aus dem Recycling stammen oder aus Schrott gewonnen wurden.

Unionseinführer sollen die Möglichkeit erhalten, sich bei der Nachweisführung durch anerkannte Systeme unterstützen zu lassen. Bereits seit dem Inkrafttreten der Verordnung im Jahr 2017 können interessierte Organisationen, die über Systeme zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht verfügen, bei der EU-Kommission eine Anerkennung beantragen. Die Anerkennung von Systemen sowie die Einrichtung eines Registers stehen bisher noch aus.

Nicht nur Rohstoffhändler und Hüttenbetreiber betroffen

Unmittelbar geltende Pflichten statuiert die Verordnung nur für Unionseinführer. Diesen obliegen die Prüfpflichten im Hinblick auf die ihnen vorgelagerten Akteure der Lieferkette. Durch die vorgesehene Listung verantwortungsvoller Hütten und Raffinerien werden aber auch diese die Auswirkungen der Verordnung zu spüren bekommen. Zudem ist mit Auswirkungen auf die nachgelagerten Akteure der Lieferketten, insbesondere auf Produzenten und Zulieferer von Produkten und Zwischenprodukten, zu rechnen.

US-börsennotierte Unternehmen fragen aufgrund des Dodd-Frank Acts bereits jetzt bei allen Lieferanten die Herkunft der verwendeten Rohstoffe ab. Da diese Nachfragen in der gesamten Lieferkette weitergegeben werden, sind auch deutsche Unternehmen, die direkt an US-Unternehmen liefern oder als Zwischenlieferant agieren, von Auskunftspflichten betroffen. Zudem gehören entsprechende Abfragen zum Standard vieler europäischer Unternehmen. Diese sehen sich im Rahmen selbstauferlegter Verhaltenskodizes an US- und OECD-Vorgaben gebunden und verankern dies in Lieferverträgen.

Es ist damit zu rechnen, dass die EU-Verordnung diesen Trend verstärkt. Das gilt insbesondere, weil die Verordnung den Fokus der Öffentlichkeit auf das Thema lenkt. Man kann davon ausgehen, dass die Nachfrage der Endverbraucher nach konfliktmineralienfreien Produkten zunimmt. Hersteller und Letztveräußerer werden konfliktmineralienfreie Produkte entsprechend in zunehmendem Maße anbieten wollen.

Hersteller von Produkten und Zwischenprodukten sollten sicherstellen, dass sie entsprechende Anfragen beantworten können. Für Produkte, die in der EU unter Verwendung von in die EU eingeführten Rohstoffen hergestellt werden, dürfte dies aufgrund der Offenlegungspflicht der Unionseinführer einfacher werden. Aber: Unternehmen sollten durch entsprechende vertragliche Regelungen auch den Fällen Rechnung tragen, in denen Produkte außerhalb Europas hergestellt werden. Andernfalls müssen sie mit einem Wettbewerbsnachteil rechnen.

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Bundesanstalt kontrolliert Einhaltung in Deutschland

Für Kontrolle und Vollziehung der Verordnung sind die Mitgliedsstaaten verantwortlich. In Deutschland ist die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe zuständig. Sie kann von Unionseinführern Auskünfte verlangen sowie Maßnahmen zur Feststellung, Beseitigung und Verhinderung von Verstößen gegen die Verordnung treffen und durchsetzen – auch mit Zwangsgeldern.

Ordnungswidrigkeitentatbestände gibt es zunächst nicht. Da aufgrund der offen formulierten Pflichten und der noch ausstehenden Vollzugsleitlinien der EU-Kommission gerade in der Anfangszeit mit Umsetzungsschwierigkeiten zu rechnen, ist dies zu begrüßen.

Trend zu mehr Transparenz und Nachhaltigkeit in den Lieferketten

Bis zum 1. Januar 2023, danach alle drei Jahre, soll die EU-Kommission die Anwendung und Wirksamkeit der Verordnung überprüfen. Bereits jetzt ist absehbar, dass die Kommission sich mit zahlreichen Themen befassen muss: von der Sicherstellung der Versorgung der Industrie mit seltenen Rohstoffen über die Frage, ob die Offenlegungspflichten für Verpflichtete zu Wettbewerbsnachteilen führen, bis zur Ausweitung der Regelungen auf weitere Stoffe.

Insgesamt dürfte es sich bei den Regelungen zu Konfliktmineralien um den Anfang einer tiefgreifenden Entwicklung handeln. Der nächste Schritt könnte das bereits viel diskutierte Lieferkettengesetz sein, wonach Unternehmen stets die Verantwortung für die Einhaltung von Umwelt- und Menschenrechtsstandards in ihren Lieferketten tragen sollen.

Die Lieferketten der Zukunft werden daher transparenter sein müssen, als dies bisher der Fall ist. Unternehmen, die das nicht berücksichtigen, gehen nicht nur das Risiko eines Reputationsschadens, sondern auch von erheblicher Wettbewerbsnachteilen ein.

* Dr. Anne Rausch ist Rechtsanwältin bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland.

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